Von 1852 bis in die 1980er Jahre befanden sich in der Hegermühlerstraße die weltbekannte Dachpappen- und Asphaltwerke Büscher & Hoffman (Schmidt, 1941). Die Dachpappenfabrik hatte u.a. Weltruhm erlangt, da sie 1854 die Asphaltfilzplatten (ebd.) erfand und es ihr gelang anstelle des bisherigen Pappbogens Endlospappen zu fabrizieren, was eine wesentliche Vereinfachung für die Herstellung der Dachflächen bedeutete (ebd.). An der Mauer vor der Fabrik entstand in der Wendezeit, als der §218 hierzulande eingeführt wurde, ein Graffiti mit dem Schriftzug: „Es wachse Schimmel um den Pimmel. Initiative gegen §218. “ Parallel dazu fanden Demonstrationen gegen den §218 statt. Anstelle der Eingangsgebäude der Fabrik stehen heute 3 EInkaufsmärkte. Das mit Altlasten kontaminierte Gelände dahinter wurde 2017/2018 saniert und verbleibt als nicht weiter nutzbare eingezäunte Wildkräuterwiese (Stadt Eberswalde, o.J.).
1852 gründeten der Mühlenbaumeister Friedrich Wilhelm Büscher (*Eberswalde 1815, ✝1895) und der Baurat Friedrich Eduard Hoffman (✝ Berlin 1900) die bekannten Dachpappen- und Asphaltwerke Büscher & Hoffman (Schmidt, 1941). Die Fabrik befand sich in der Hegermühlerstraße, nahe dem Hauptbahnhof. Das Gelände umfasste etwa 15 000 Quadratmeter und konnte vom Luisenplatz betreten werden (Klamann, 2018). Obwohl zu dem Zeitpunkt schon seit 10 Jahren Dachpappe in Eberswalde hergestellt wurde, bekam die Firma schnell Weltgeltung (Rohlfien, o.J.). Denn Büscher & Hoffman erfanden im Jahre 1854 die Asphaltfilzplatten (ebd.) und es gelang ihnen anstelle des bisherigen Pappbogens Endlospappen zu fabrizieren, was eine wesentliche Vereinfachung für die Herstellung der Dachflächen bedeutete (Schmidt, 1941).
An der Mauer vor der Fabrik entstand 1992 ein Graffiti mit dem Schriftzug: „Es wachse Schimmel um den Pimmel“. Diese hatte folgenden Hintergrund:
„Nach der Wiedervereinigung weigerten sich die DDR-Frauen, sich die Indikationsregelung des §218 aufzwingen zu lassen. In der DDR war es seit 1972 für Frauen bis zur 12. Woche der Schwangerschaft ihre ganz persönliche Entscheidung, ob sie ein Kind austragen wollten oder nicht.
Jetzt musste einheitliches Recht geschaffen werden, und es bestand noch die Hoffnung, dass es nicht das westliche Gesetz sein sollte. Immerhin gab es bei der Parlamentsabstimmung im Juni 1992 eine klare Mehrheit für die Fristenregelung. Der konservative Flügel wollte dieses nicht akzeptieren und klagte dagegen. Das Ergebnis war, dass die Fristenlösung aufgehoben wurde und der Abbruch blieb weiterhin auch während der ersten 12 Wochen rechtswidrig.
Vor allem die Frauen im Osten waren schockiert. Sie hatten über 20 Jahre das Recht auf Selbstentscheidung zugesprochen bekommen. Aber auch die Frauen im Westen wollten sich damit nicht abfinden und so wurde eine große Kampagne gegen den Paragrafen 218 gestartet. 1992 gründete sich auch in Eberswalde eine Initiative gegen § 218. Sie sammelte Unterschriften, veranstaltete Aktionstage, Frauen demonstrierten in schwarzen Roben und mit Transparenten gegen dieses Unrecht an ihrer Selbstbestimmung.
Am „Runden Tisch der Frauen“ entstand bei einer seiner Sitzungen im KOMM-Zentrum die Idee, eine möglichst öffentlichkeitswirksame Aktion zu starten. Eine Graffiti-Aktion an der Mauer der alten Dachpappenfabrik, an der alle vorbei mußten, die nach oder aus Eberswalde kamen. An dem Spruch entspannen sich die Diskussionen und er sollte eine Provokation sein: “ Es wachse Schimmel um den Pimmel!“ Damit kam auch zum Ausdruck, dass besagte Gesetzesentscheidungen zum größten Teil auf die Stimmen von Männern zurück zu führen waren.
Als Termin für die Aktion wurde der 25. Mai 1993 angesetzt. Das Team von Frauen, das sich im KOMM-Zentrum traf, übernahm die Organisation, machte den Entwurf, besorgte die Farben und verteilte die Aufgaben. Das städtische Ordnungsamt war vorsorglich informiert worden. Für alle Fälle. Immerhin würde es eines der ersten Graffitis in der Stadt sein. Es wurde kein offizielles Verbot erteilt.
Die Aktion musste bei Dunkelheit starten. Die Sprayerinnen hatten jeweils eine Farbe erhalten für den entsprechenden Buchstaben, den sie zu sprayen hatten. Die Anspannung war groß, wird es überhaupt gelingen, werden die Frauen angegriffen werden und, und, und…. Die Reaktionen an den nächsten Tagen waren bemerkenswert. Von der Presse wurde die Aktion mit keiner Zeile erwähnt. Die Stadt reagierte ebenso nicht. Die Vorbeigehenden und -fahrenden schmunzelten, nickten, schüttelten mit dem Kopf und akzeptierten.
Niemals wurde das Graffiti von anderen besprüht. Es hielt bis zum Abriss der Mauer fast 20 Jahre lang. Noch heute wird öfter die Frage nach den „Verursachern“ gestellt. Schade, dass es weichen musste. Ein paar Steine sind noch gerettet worden.“ (aus: „Initiative gegen §218“)
Die Mauer befand sich am Anfang der Hegermühlerstraße, ungefähr beim heutigen Lidl-Parkplatz. Insgesamt haben drei Einkaufsmärkte die Betriebsgebäude am Eingang der in den 1980er Jahren geschlossenen Fabrik abgelöst (Petersson, 2014). Doch dahinter lagerten die Überreste der Fabrik (ebd.). Der heutige Eigentümer des Geländes ist die Stadt Eberswalde (Klamann, 2018). Diese beschloss nach langjährigen Untersuchungen, dass die Altlast am Standort gesichert werden müsste, da die großflächigen Ablagerungen das Grundwasser belasten könnten (Stadt Eberswalde, o.J.). Die verbliebenen Gebäude wurden 2017 abgerissen und die Altlasten wurden bis zum Ende des Jahres 2018 saniert. Die Altlasten verblieben, allerdings im Erdreich und wurden dort mit einer Kunststoffdichtbahn unschädlich gemacht (Klamann, 2018). Die Entscheidung für diese Variante fiel, da eine komplette Entsorgung die Stadt 37 Millionen Euro gekostet hätte (Petersson, 2018). Durch dieses Vorgehen ist die Fläche nicht nutzbar und verbleibt als eine eingezäunte Wildkräuterwiese, die laut der Stadt Eberswalde, einen wichtigen ökologischen Beitrag leisten wird.

© Ulrich Wessollek
- Initiative gegen §2018, siehe Originaldokumente anbei
Klamann, S. (2018): Eberswalde lässt Dachpappen-Areal sanieren. Sicherheit. Altlast verschwindet unter Kunststoffbahn. MOZ.de, 22.02.2018, 06:15 Uhr. Unter: https://www.moz.de/landkreise/barnim/eberswalde/artikel4/dg/0/1/1640313/ - Petersson, V. (2018): Sicherung des Geländes der alten „Dachpappe“ in Westend läuft auf vollen Touren / Dicke Kunststofffolie dichtet teerhaltige Abfälle ab / Nach Abschluss noch Grundwasser-Monitoring. Altlastensanierung „Da kommt nichts durch.“ MOZ.de, 17.08.2018, 22:30 Uhr. Unter: https://www.moz.de/landkreise/barnim/eberswalde/artikel4/dg/0/1/1675534/
- Petersson, V. (2014): NOCH IN DIESEM JAHR SOLL SANIERUNG DES GRUNDSTÜCKS DER ALTEN EBERSWALDER DACHPAPPENFABRIK BEGINNEN. Grüne Wiese statt Industriebrache. MOZ.de, 11.09.2014, 20:30 Uhr. Unter: https://www.moz.de/landkreise/barnim/eberswalde/artikel4/dg/0/1/1323444/
- Rohlfien, K. (o.J.): Eberswalde. Waldstadt am Rande des Barnim. S.36
- Stadt Eberswalde (o.J.): Sicherung und Sanierung der ehemaligen Dachpappenfabrik beginnt. Unter: https://www.eberswalde.de/Aktuelles-Beitr.126+M55b857b79e0.0.html
- Schmidt, R. (1941): Geschichte der Stadt Eberswalde. Band 2, S. 235-238. Verlagsgesellschaft Rudolf Müller
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