Goethestr. 23b

Auf dem Grundstück der damaligen Bismarckstr. 23b (heute: Goethestr. 23b) stand bis zu seiner Zerstörung ein 2-stöckiges Wohnhaus, das von 1923-1930 der Familie Löwenthal gehörte. Hermann Löwenthal (1895-1943) lebte mit seiner Ehefrau Hertha (1900-1943) und Tochter Lilli (geb. 1924) von 1923-1936 in der 1. Etage, der „Bel Etage“ (Briefwechsel Grünwald-Kirsh).  1936 wurde Familie Löwenthal im Zuge der judenfeindlichen Gesetze des Nazi-Regimes die Wohnung gekündigt. Sie zogen auf ihre Geschäftsgrundstück in die Drehnitzstr. 20.  1938 wurde ihnen auch dort gekündigt. 

Im September 1938 entschlossen sich die Löwenthals zur Flucht aus Nazi-Deutschland. Es gelang ihnen die Flucht über Italien nach Sydney/ Australien. Dort kamen sie noch im Jahr 1938 an und versuchten, „sich ein normales Leben aufzubauen.”  1943 starben Hermann & Hertha innerhalb von 5 Wochen an Herzversagen und Leukämie. Tochter Lilli war damals 19. Sie lernte den Beruf der Hutmacherin, heiratete, bekam einen Sohn, Scheidung, Ausreise nach Toronto/ Kanada, dort Heirat mit Henry Kirsh, einem aus Polen stammenden Juden, der als einziger seiner Familie den Holocaust überlebte (Eberswalder Gedenkbuch, S. 109). 

Das Haus in der Goethestr. 23b wurde bei der Bombardierung Eberswaldes durch die Deutschen im Jahr 1945 zerstört. Im Jahr 2003 reiste die 79-jährige Lilli Kirsh von einer Ostseerundreise nach Eberswalde, um ihre alte Heimat zu besuchen. Sie klingelte an der Tür der Goethestraße 27, weil sie dachte, dies sei ihr früheres Zuhause.

Auf dem Grundstück der damaligen Bismarckstr. 23b (heute: Goethestr. 23b) stand bis zu seiner Zerstörung ein 2-stöckiges Wohnhaus, das von 1923-1930 Hermann Löwenthal gehörte. Hermann Löwenthal (1895-1943) lebte mit seiner Ehefrau Hertha (1900-1943) und Tochter Lilli (geb. 1924) von 1923-1936 in der 1. Etage, der „Bel Etage“, anfangs als Besitzer, ab 1930 als Mieter (Briefwechsel Grünwald-Kirsh). 

Die Löwenthals sind eine große Familie und schon seit Jahrzehnten sehr angesehene Bürger im Barnim. Hermann Löwenthal ist 1895 in der Junckerstraße 7 geboren. Er ist in Eberswalde aufgewachsen, sein Vater hat einen Pferdehandel in der Weinbergstraße, den später sein Bruder Bernhard übernimmt. Hermann Löwenthal kaufte 1920 das Grundstück in der Drehnitzstr. 20, um dort einen Eisenhandel zu starten (Eberswalder Gedenkbuch, S. 108). 

Hertha Pieck wurde im September 1900 geboren. Sie heiratete 1922 Hermann Löwenthal, 1923 kaufte das Ehepaar das Wohnhaus in der damaligen Bismarckstr. 23b (heute: Goethestr. 23b) in Eberswalde. 1924 wurde die gemeinsame Tochter Lilli geboren. Lilli Kirsh erinnerte sich später an eine schöne Kindheit: sie machen als Familie viele Ausflüge (Briefwechsel Grünwald-Kirsh) und sie hat viele Freundinnen, u.a. Dagmar Katschinsky (geb. 16. April 1925) und Hilde Steinhadt (geb. März 1925).  

Während der Weltwirtschaftskrise 1930 schien es auch für die Löwenthals finanziell sehr schwierig zu sein. Die Akten im Kreisarchiv weisen darauf hin, dass das Geschäftshaus in der Drehnitzstr. zwangsversteigert wurde. Löwenthal pachtete es & betrieb den Eisenhandel weiter, ebenso mit dem Wohnhaus in der damaligen Bismarckstr. 23b (heute: Goethestr. 23b), die sie ab dann als Mieter bewohnten (Briefwechsel Grünwald-Kirsh). 

1936 wurde ihre Wohnung in der Bismarckstr. 23b im Zuge der judenfeindlichen Gesetze des Nazi-Regimes gekündigt. Sie zogen auf ihr Geschäftsgrundstück in die Drehnitzstr. 20.  1938 wurde ihnen auch dort gekündigt und die Tochter Lilli wurde von Schule in Eberswalde verwiesen. Sie besuchte eine Handelsschule in Berlin und wohnte dort bei einer Tante. Im September 1938 entschloßen sich die Löwenthals zur Flucht aus Nazi-Deutschland. Sie zahlten Reichsfluchtsteuer und bekamen eine Unbedenklichkeitsbescheinigung, dass alle Steuern bezahlt wurden (Eberswalder Gedenkbuch, S. 109). Es gelang ihnen die Flucht über Italien nach Sydney/ Australien. Dort kamen sie noch im Jahr 1938 an und versuchen, „sich ein normales Leben aufzubauen.” Sie hatten wenig Geld und müssten schnell eine Arbeit suchen. Tochter Lilli ging in Australien weiter zur Schule. Hermann Löwenthal gründete ein kleines Geschäft, mit dem gleichen Handel wie in Eberswalde (Briefwechsel Grünwald-Kirsh). 

1943 starben Hermann & Hertha innerhalb von 5 Wochen an Herzversagen & Leukämie. 

Tochter Lilli war damals 19. Sie lernte den Beruf der Hutmacherin, heiratete, bekam einen Sohn, Scheidung, Ausreise nach Toronto/ Kanada, dort Heirat mit Henry Kirsh, einem aus Polen stammenden Juden, der als einziger seiner Familie den Holocaust überlebte (Eberswalder Gedenkbuch, S. 109). 

Das Haus in der Goethestr. 23b wurde bei der Bombardierung Eberswaldes durch die Deutschen im Jahr 1945 zerstört. 

Im Jahr 2003 reiste die damals 79-jährige Lilli Kirsh von einer Ostseerundreise nach Eberswalde, um ihre alte Heimat zu besuchen. Sie klingelte an der Tür der Goethestraße 27, weil sie dachte, dies sei ihr früheres Zuhause (was in Wirklichkeit zerstört wurde). Ellen Grünwald (geb. Behring) öffnete ihr die Tür und „ahnte sofort, dass sie jüdischer Herkunft sein könnte“. Sie zeigte ihr die Wohnung. Es ging alles sehr schnell. Als sie schon draußen war, lief Ellen Grünwald ihr hinterher und bat sie um ihre Adresse. Für sie war das ein Schlüsselmoment: „damit ging alles los“ … mit Lilli Löwenthal an ihrer Tür. Sie haben sich nicht wieder gesehen, aber über sechs Jahre Kontakt gehalten, bis zu ihrem Tod im Jahr 2010. Sie wurde 86 Jahre alt. Ellen Behring fing nach diesem Kennenlernen an, intensiv über jüdisches Leben in Eberswalde zu recherchieren, suchte und fand ehemalige Eberswalder in der ganzen Welt und führte sehr persönliche Briefwechsel zu ihnen, recherchierte in diversen Archiven und trug auf diese Weise Wissen über jüdisches Leben in Eberswalde zusammen.  Für die Entwicklung von Tatort Lücke 1 überlies Ellen Behring 3 Briefwechsel mit den ehemaligen Freundinnen Lilly Kirsh, Dagmar Snyder & Hilde Miron dem künstlerischen Team, so dass der Text für die Performance aus Auszügen daraus montiert werden konnte. (deren Geschichten finden sich in den Originaldokumenten anbei) Außerdem wirkte sie selbst als Performerin mit. 

Auf dem Grundstück in der Goethestr. 23b wurde Jahr 2018 ein Doppelhaus mit 8 Appartments für eine Baugruppe genehmigt. Der Bau sollte im Juli 2018 losgehen, verzögert sich aber mindestens bis Anfang 2019.


© Urlrich Wessollek

PDF zur Gothe Baugemeinschaft Eberswalde: Goethe – WOCAA

Lilly Kirsh, geb. Löwenthal

Biographie_Lilli Kirsh
Auszüge aus dem Briefwechsel Lilli Kirsh und Ellen Grünwald


Die Lücke ‚Goethestrasse 23b‘ wurde am 23.3.2018 18 Uhr unter dem Titel ‚TATORT LÜCKE 1: Goethestrasse 23b‚ bespielt.

Programm und Texte

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Video

Zur Tatort Lücke 1


Presse

  • Behring, Ellen; Fischer, Ingrid; Heine, Brigitta; Kuchenbecker, Arnold: Eberswalder Gedenkbuch für die jüdischen Opfer der Nationalsozialismus, Veröffentlichung des Vereins für Heimatkunde zu Eberswalde e.V., 2008
  • Grünwald, Ellen: Biographie Lilly Kirsh, geb. Löwenthal (Originaldokumente) 
  • Grünwald, Ellen: Biographie Dagmar Snyder, geb. Katschinsky (Originaldokumente) 
  • Grünwald, Ellen: Biographie Hilde Miron, geb. Steinhardt (Originaldokumente) 
  • Briefwechsel Ellen Grünwald – Lilly Kirsh, geb. Löwenthal  (in Privatbesitz Ellen Grünwald) 
  • Briefwechsel Ellen Grünwald – Dagmar Snyder, geb. Katschinsky  (in Privatbesitz Ellen Grünwald) 
  • Briefwechsel Ellen Grünwald – Hilde Miron, geb. Steinhardt  (in Privatbesitz Ellen Grünwald) 

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Goethestr. 23b

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Goethestr. 23b 52.831349, 13.819739 Goethestr. 23b